, Silvan Hartmann, AZ

Unfallopfer trifft nach 2.-Liga-Drama seinen Lebensretter: «Ich bin Sebi unendlich dankbar»

FC-Suhr-Goalie Dominik Stutzer und Baden-Spieler Sebastian Bortolin sprechen sechs Tage nach dem Unfall im Esp über die dramatischen Szenen und schwierigen Minuten.

Die Begrüssung ist herzlich, auf einen Handschlag folgt eine freundschaftliche Umarmung. Sechs Tage nach dem schweren Unfall treffen sich erstmals der verunfallte Suhr-Goalie Dominik Stutzer und dessen Lebensretter, Baden-Spieler Sebastian Bortolin, wieder im Stadion Esp in Baden.

«Mir geht es den Umständen entsprechend gut. Ich hatte grosses Glück, dass nichts Schlimmeres passiert ist», sagt Dominik Stutzer, nimmt Platz auf der Gäste-Spielerbank und blickt über das Spielfeld hinweg auf jenen Ort in Richtung Tor, an dem am Freitagabend das Unheil seinen Lauf nahm.

Eine Viertelstunde war im 2.-Liga-AFV-Spiel auf dem Esp zwischen Baden II und Suhr absolviert, als eine Flanke in Richtung Suhr-Strafraum fliegt. Dominik Stutzer stürmt aus dem Tor, will den Ball abfangen, worauf es zum Zusammenprall mit Badens Teodor Popov kommt. Stutzer bleibt regungslos liegen.

«Ich mag mich nicht mehr an viel erinnern. Ich dachte, einen tief gespielten Ball abgefangen zu haben, dann erschien im rechten Augenwinkel plötzlich ein Schatten, dann weiss ich nichts mehr. Ich habe einen Filmriss und erinnere mich erst wieder an die Fahrt im Krankenwagen», erzählt Stutzer.

Überlebenswichtige Massnahmen

Baden-Spieler Sebastian Bortolin – von Beruf Physiotherapeut – bewahrt die Ruhe und weiss, was zu tun ist: Mithilfe des Schiedsrichter-Assistenten Patrick Gafner bringt er den regungslosen Goalie in die Seitenlage. «Ich habe bemerkt, dass Dominik röchelt und etwas mit seiner Atmung nicht stimmt», beschreibt Bortolin.

Er habe umgehend dessen Rachen kontrolliert und realisiert, dass er die Zunge verschluckt hatte. Mit einem erfahrenen Griff sorgt Bortolin dafür, dass Stutzers Atmung sich wieder stabilisiert. Es sind jene überlebenswichtigen Massnahmen, mit welchen der Suhrer Torhüter vor weitreichenden Folgen verschont bleibt.

Als Stutzer allmählich wieder zu sich kommt, entdeckt Bortolin, dass er aus dem Ohr blutet – ein Symptom einer möglichen Schädelhirnverletzung. In der Folge vergehen bange Minuten, bis die aufgebotene Ambulanz des Kantonsspitals Baden auf dem Esp erscheint und die Rettungskräfte ihn abtransportieren. Spieler hätten gesehen, wie Stutzer sich selbst auf die Barre hievte, doch daran kann er sich selbst nicht erinnern. Und dennoch war es jener Moment, den Bortolin etwas aufatmen liess und er wusste: Alles wird wieder gut kommen.

Und doch war der Schock bei allen Beteiligten so gross, dass an ein Weiterspielen nicht zu denken war, weshalb die Partie in Absprache beider Teams abgebrochen wurde und nun am Dienstag, 28. Mai, nachgeholt wird.

Sorgen um Cupfinal

Im Spital macht sich Torhüter Dominik Stutzer zunächst grosse Sorgen, den Cupfinal vom kommenden Mittwochabend zu verpassen. Schliesslich wird er von Suhr-Präsident Ömer Yelli, den ihn stets begleitete, über die Tragweite des Unfalls informiert. Erst als Stutzer wieder auf sein Handy schaut und er die vielen erhaltenen Nachrichten liest, wird ihm bewusst, wie schwer es ihn getroffen hat: «Du schaffst das!», liest er. Oder auch: «Wir beten für dich, Dominik!» Stutzer sagt: «Da wusste, ich, dass es etwas Ernsthaftes ist.»

Und tatsächlich liest sich die Diagnose schmerzhaft: Gehirnerschütterung, Teilriss des Trommelfells und ein mehrfach gebrochener Daumen. Während vier Tagen verspürt Stutzer mit Gleichgewichtsstörungen grosse Übelkeit, sobald er sich aufrichtet. «Zum Glück hat sich das mittlerweile gelegt.»

Nun schmerzt vor allem noch der Daumen, der ausgerechnet am Mittwoch, dem Tag des Cupfinals, ambulant operiert wird, was für Stutzer einen Ausfall von rund zwei bis drei Monaten zur Folge hat. «Es hätte mir tatsächlich viel bedeutet, den Cupfinal zu spielen. Aber nun hoffe ich, dass ich die Teamkollegen neben dem Spielfeld unterstützen kann.»

Verband ehrt Bortolin

Während der Zeit der Erholung macht sich Dominik Stutzer viele Gedanken, was passiert wäre, wenn er die Erste-Hilfe-Massnahmen erst von den Rettungskräften der Ambulanz erhalten hätte. «Ich bin Sebi unendlich dankbar für seine Hilfe. Ich kann froh sein, dass er und auch Assistent Patrick da waren und sie wussten, was man in solchen Situationen tun muss», sagt Stutzer und fügt nachdenklich an: «Man weiss nicht, was gewesen wäre, wenn ich diese Hilfe nicht gehabt hätte. Sebi hat mit seiner Reaktion dafür gesorgt, dass ich noch da bin.»

Der Aargauer Fussballverband ehrte Sebastian Bortolin für sein beherztes Eingreifen mit einem Geschenkset. «Es ist schön, dass ich Dominik helfen konnte und ich nun von vielen Seiten eine Wertschätzung erhalte. Aber ich denke, es geht dabei nicht um meine Person. Es ist wichtig, dass man in solchen Situation ruhig bleibt, aber dennoch Hilfe leisten kann.»

Dominik Stutzer überlegt sich, im Zuge seiner Verletzung seine Nothelferkurse aufzufrischen. «In dieser Liga ist man im Amateurbereich als Mannschaft immer auf sich selbst gestellt, man muss keine Sanität stellen. Wenn etwas passiert, muss man hoffen, dass jemand Kenntnisse hat und reagieren kann», sagt Stutzer. Er wünscht sich, dass sein Unfall im Aargauer Fussball etwas bewirkt. «Es wäre gut, wenn mindestens eine Person einer Mannschaft stets über Erste-Hilfe-Massnahmen Bescheid wüsste. Denn die Intensität ist gerade in unserer 2. Liga enorm hoch.»