, Nik Dömer, AZ

«Habe vorübergehend keine Perspektive mehr»: Trainer Winsauer äussert sich zu seinem Rücktritt

Die Badener Fussballwelt wurde am Montag erschüttert, Trainer Mike Winsauer gab seinen Rücktritt bekannt. Nach zwei Saisons voller Leidenschaft und Engagement entschied er sich für diesen drastischen Schritt. Doch was bewegte den aufstrebenden Trainer dazu, sein Amt beim FC Baden im Sommer niederzulegen? Im Interview nennt er die Gründe für seinen überraschenden Entscheid.

Mike Winsauer, am Montag wurde bekannt, dass Sie im Sommer nach zwei Saisons zurücktreten werden. Wie geht es Ihnen nach diesem Entscheid?

Mike Winsauer: Es sind gemischte Gefühle, aber die Enttäuschung überwiegt schon. Die letzten Monate haben viel Energie gekostet. Ich habe alles auf die Karte Profitrainer gesetzt und war mir sicher, dass ich die Qualitäten dazu mitbringe. Leider habe ich aber durch die Absage für den Lehrgang der Pro-Lizenz vorübergehend keine Perspektive mehr.

Am Montagabend wurden auch die Spieler informiert. Wie war da die Reaktion?

Kann ich noch nicht viel dazu sagen, das Training verlief normal, danach hatte ich gleich noch eine Sitzung. Aber ich erhielt ein paar Nachrichten. Das waren schöne Rückmeldungen, einige haben ihr Bedauern ausgedrückt.

Warum haben Sie sich für den Rücktritt entschieden?

Es ist am Ende die Summe verschiedener Umstände. Ich habe enorm viel Energie in meine Aufgabe als Trainer beim FC Baden reingesteckt. Gerade in der Hinrunde, als ich nebenbei noch als Lehrer arbeitete, kam ich oft an meine Grenzen. Die fehlenden Profistrukturen verbunden mit den Abendtrainings haben viel Zeit gekostet, ich war kaum noch bei meiner Familie und hatte seit über einem Jahr keinen richtigen Urlaub mehr. Mir fehlte die Ladestation für meinen Akku.

War es in diesem Fall auch ein Entscheid für die Familie?

Absolut, und das obwohl ich unglaublich viel Unterstützung von meiner Frau Sandra (Schwester von Ciriaco Sforza, Anm. der Red.) erhielt, die sich nie beklagt hat. Aber es gab schon Momente, in denen ich merkte, dass ich zuhause fehle. Als mir kürzlich mein Sohn erzählte, dass andere Papas draussen mit ihren Kindern Fussball spielen und ich ihm fehlen würde, ging mir das sehr nahe. Als Scheidungskind bin ich in dieser Hinsicht auch geprägt, mir hat mein Papa in diesem Alter sehr gefehlt. Ich möchte mir nicht vorwerfen müssen, dass ich zu wenig für meine Kinder da war.

Und dann kam auch noch die Absage für den Pro-Diplom-Lehrgang dazu. Dieser wäre nötig gewesen, um weiterhin in der Challenge League trainieren zu dürfen. Fühlen Sie sich ausgebremst?

Das kann man so sagen. Ich habe in den letzten Monaten alles meinem Trainerjob untergeordnet. Nach der Absage habe ich gemerkt, dass ich nicht so weitermachen möchte, wenn mir die Perspektive fehlt. Diese wurde mir leider mit der Lehrgang-Absage vorübergehend genommen.

Wann stand für Sie fest, dass das Kapitel FC Baden im Sommer zu Ende geht?

Die Absage fürs Pro-Diplom und die Erkenntnis, dass sich strukturell nicht viel ändern wird im Verein, brachten mich ins Grübeln. Während der Länderspielpause entschloss ich mich dazu, dass ich es dem Klub mitteilen werde. Mir war es wichtig, dass ich gegenüber dem FC Baden fair bleibe und die Verantwortlichen möglichst früh Gewissheit haben.

Sie hatten in dieser Saison eine provisorische Bewilligung, dass Sie auch ohne Pro-Diplom Trainer sein dürfen. Gab es keine Option, dass diese verlängert wird, sofern Sie beim nächsten Lehrgang nochmals einen Versuch wagen werden?

Der Schweizerische Fussballverband teilte mir mit, dass ich in der nächsten Saison keine Mannschaft in der Challenge League trainieren darf und die Bewilligung auf keinen Fall verlängert wird. Dieses Provisorium wird nur erteilt, wenn man sich für einen Lehrgang anmeldet. Das wäre bei mir frühestens Ende 2025 wieder möglich.

Ihr Assistent Lothar Mayer hat ein Pro-Diplom, er hätte ja einfach auf dem Papier den Cheftrainer-Posten übernehmen können. Andere Vereine in dieser Liga haben das auch schon so gemacht.

Nein, das hätte sich für mich nicht richtig angefühlt. Entweder ich mache etwas richtig und stehe als Cheftrainer hin, oder ich lass es sein.

Sie haben alle Ihre Diplome beim Österreichischen Fussball-Bund absolviert. Nun erhielten Sie keinen Platz beim Lehrgang zum Pro-Diplom, obwohl andere Kandidaten wie beispielsweise der Ex-Aarauer Stefan Maierhofer mit weniger Trainer-Erfahrung zugelassen wurden. Sind Sie sauer?

Sauer nicht, wohl eher enttäuscht. Stefan war mit mir beim Assessment und ehrlich gesagt: Ich weiss nicht genau, wo er Trainer war, das hat auch nix mit mir zu tun. Bei mir ist ja auch alles sehr schnell gegangen, ich hab aber auch viel dafür gearbeitet, investiert und verzichtet. Ich muss nun einfach akzeptieren, dass meine Aufnahmeprüfung wohl nicht gut genug war, oder ich zu wenig Erfahrung mitbrachte. Beide Faktoren waren entscheidend.

Wie lässt sich das erklären? Müssen Sie sich was vorwerfen?

Das wüsste ich auch gerne, 61 Punkte wären nötig gewesen, ich hab aber nur knapp 57 Punkte geschafft. Gerne hätte ich ein Feedback zu meiner Aufnahmeprüfung gehabt, aber sie teilten mir dann mit, dass das nur am vergangenen Montag in einem persönlichen Gespräch möglich gewesen wäre. Ich hätte dafür extra auf Wien fliegen müssen. Ein Online-Gespräch war nicht möglich.

Wie setzt sich diese Punktzahl zusammen?

Einerseits aus der Laufbahn als Spieler sowie der Tätigkeit als Trainer. Da waren auch Anzahl Jahre und Stufe entscheidend. In diesem Fall hatte ich mit einer Saison Challenge League und einer Saison Promotion League leider noch nicht viel vorzuweisen. Für die Erfahrungen der Anwärter wurden schon alleine bis zu 40 Punkte verteilt. Andererseits kam dann noch das Assessment dazu, bei dem man 60 Punkte holen konnte. Da wurden dann innerhalb von einem Tag intensiv die Trainer-Qualitäten geprüft.

Am Montag gab es noch ein Gespräch mit Präsident Heinz Gassmann. Der FC Baden hätte gerne mit Ihnen weitergemacht. Im Falle eines Abstiegs wäre das kein Problem gewesen, da hätte Ihr A-Diplom gereicht. Hat er Sie versucht zu überreden?

Ja, es gab Gespräche. Mein Verhältnis zu Heinz war und ist immer top. Er hat vor zwei Jahren das Risiko auf sich genommen und und mich als 2.-Liga-Trainer für die Promotion League geholt. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Er wollte mich unbedingt über die Saison hinaus halten, auch das schätze ich sehr. Er weiss genau, dass ich alles für den FC Baden gegeben habe.

Warum ist das keine Option, dass Sie nächste Saison mit dem FC Baden in der Promotion League weitermachen?

Ich hab mir das gut überlegt. Der Aufwand wird nicht kleiner. Ich bin zwar guter Dinge, dass ein grosser Teil des Mannschaftskerns bleiben wird, aber es kommen so oder so im Sommer wieder grosse Herausforderungen auf den Verein zu. Und ich zweifle daran, dass ich momentan noch so viel Energie im Tank habe. Es bringt nichts, wenn nächste Saison beim Trainingsstart ein Trainer an der Seitenlinie steht, der nur 70 Prozent Akku hat.

Zuerst gibt der Präsident den Rücktritt bekannt, dann der Trainer. Und die Mannschaft steckt tief im Abstiegskampf. Herrscht beim FC Baden Endzeitstimmung?

Das sehe ich nicht so, was in den letzten Jahren hier aufgebaut wurde, ist nicht alles abhängig von meiner Personalie. Es gibt auch andere gute Trainer, die den Verein in eine erfolgreiche Zukunft führen können. Ich bin zudem überzeugt davon, dass der Klub im Sommer gut aufgestellt sein wird. Mit Gianmarco Coluccia gibt es einen neuen und sehr kompetenten Präsidenten, der in die Fussstapfen von Heinz tritt.

Wäre es nicht besser gewesen, Ihre Entscheidung erst nach der Saison zu verkünden?

Es war notwendig, die Entscheidung jetzt zu verkünden. Im Fussballgeschäft kann sowieso nichts dicht gehalten werden. Ausserdem finden jetzt die Gespräche mit den Spielern statt. Auch ihnen gegenüber ist es nur fair, wenn sie nun Gewissheit haben, dass ein neuer Trainer kommen wird.

Wie ist nun die Stimmung im Team? Haben Sie kein Bedenken, dass diese nun kippen könnte?

Davon gehe ich nicht aus. Ich habe viele charakterstarke Spieler, die nach wie vor an den Klassenerhalt glauben, auch wenn es dafür ein kleines Wunder braucht. Auf die muss ich mich konzentrieren. Wenn ich merke, jemand zieht nicht voll mit oder macht jetzt Larifari, werde ich handeln. Und ausserdem spielen sie ja nicht nur für mich, sie spielen für ihre Vita und ihren weiteren Verlauf als Fussballer.

Ihre Karriere als Trainer ging bisher steil bergauf, innerhalb von zwei Jahren sind Sie vom Amateurfussball ins Profigeschäft aufgestiegen. Ging das alles ein bisschen zu schnell?

Es ist mir schon bewusst, dass es bei mir sehr schnell bergauf ging. Aber ich habe mir das auch hart erarbeitet und ich bin stolz darauf, was ich mit der Mannschaft und den bescheidenen Mitteln erreichen konnte. Das hat mir meine Entscheidung auch so schwer gemacht, weil ich eigentlich davon überzeugt bin, dass ich schon das Rüstzeug zum Profitrainer-Dasein mitbringen würde.

Wie geht es mit Ihrer Karriere nach dem Sommer weiter?

Das kann ich nicht sagen. Ich fühle mich eigentlich nicht ausgebrannt, aber ich weiss, dass ich nun eine Veränderung brauche. Vielleicht fange ich im Sommer wieder als Lehrer an. Vielleicht geht aber auch eine andere Türe im Fussballgeschäft auf.

Werden Sie nochmals einen Anlauf bezüglich Uefa-Pro-Diplom nehmen?

Das wird sich ergeben. Ich könnte auch den nächsten Lehrgang in der Schweiz anstreben, dann müsste ich aber noch einen anderen Kurs absolvieren, damit meine österreichischen Diplome anerkannt werden.

Sie schienen mit Ihrer nahbaren und kommunikativen Art der perfekte Trainer für den FC Baden zu sein. Das ganze Umfeld hat Sie rasch ins Herz geschlossen. Und Sie hatten auch schnell Erfolg. Wars am Ende zu perfekt?

Ob es zu perfekt war, weiss ich nicht. Manchmal sind die Dinge im Fussball schwierig zu erklären. Ich kann nur sagen, dass uns nichts geschenkt wurde und wir uns alles hart erarbeitet haben. Nebenbei sind auch mir viele Menschen in Baden ans Herz gewachsen. Ich habe mich hier stets sehr wohl gefühlt und konnte an den grossen Herausforderungen wachsen, das wird mir stets in guter Erinnerung bleiben.