, Nik Dömer, AZ

«Ein paar Neulinge sind nicht unter Kontrolle»: Rauchtopf- und Böllerwurf überschattet packendes Derby

Kurz vor dem Schlusspfiff kam es beim Aargauer Derby zu unschönen Szenen, weil aus dem Badener Gästesektor ein Böller in den neutralen Zuschauer-Bereich flog. Nun nehmen Präsident Heinz Gassmann und der Fanverantwortliche Jonas Kobi Stellung zu den Geschehnissen.

Nicht nur vor und nach dem Aargauer Derby kam es zu Sachbeschädigungen und Ausschreitungen. Auch während dem Spiel eskalierte die Situation. Wenige Sekunden nach dem entscheidenden Treffer von Aaraus Silvan Schwegler in der Nachspielzeit kippt die Stimmung im fast ausverkauften Brügglifeld (7359 Zuschauer). Genauer gesagt kippt sie primär im Gästesektor bei einem Teil der Badener Fans.

Erst fliegt ein Böller in den neutralen Sektor, in dem sich Familien befinden. Darauf eilen einige Mitglieder der Aarauer Szene an den Zaun, es kommt zu Provokationen und es fliegen zahlreiche Gegenstände hin und her. Schliesslich fliegt ein weiterer Böller aus dem Gästesektor, kurz darauf landet auch noch ein Rauchtopf auf dem Platz. Schiedsrichter Luca Piccolo beweist Fingerspitzengefühl und pfeift die Partie verfrüht ab.

«Die Szenen am Schluss machen alles kaputt»

Am Tag nach diesen Szenen bleibt Präsident Heinz Gassmann nur das Kopfschütteln. Unlängst ist es her (nach einem Platzsturm im Heimspiel gegen Stade Nyonnais), da traf er gemeinsam mit Gianmarco Coluccia, Jonas Kobi (beide Vorstand), Trainer Mike Winsauer und Berater Stephan Keller vier Vertreter aus der Szene zur Aussprache am runden Tisch.

Der gewünschte Effekt ist jedoch ausgeblieben: «Das ist mega enttäuschend. Die Mannschaft hat alles gegeben und sich als Underdog Respekt erarbeitet. Doch die Szenen am Schluss machen alles kaputt und schaden unserem Image enorm. Das hat auch nichts mit den familiären Werten zu tun, die wir uns eigentlich auf die Brust schreiben. Wir verurteilen die Böller und den Rauchtopf-Wurf in aller Form, das ist ein absolutes No-Go», sagt der Präsident.

Bleibt die Frage, wie es überhaupt zu solchen Verfehlungen kommen konnte. Gassmann betont dazu: «Eigentlich haben wir mit der Basis einen guten Dialog, zudem gibt es neuerdings einen Fanverantwortlichen aus dem Vorstand, der die Ultras begleitet und zu schlichten versucht, wenn sich etwas anbahnt. Doch all das nützt bisher nichts, die Badener Fanszene hat sich rasant vergrössert, seit wir in der Challenge League spielen. Ein paar Neulinge sind derzeit überhaupt nicht unter Kontrolle. Da hilft auch die Selbstregulierung nichts, die offenbar bis dato nicht funktioniert.»

Welche Konsequenzen der FC Baden daraus zieht oder ziehen muss, kann der Präsident noch nicht genau sagen: «Was da passiert ist, können wir so nicht akzeptieren. Wir müssen alles aufarbeiten und weitere Gespräche führen. Diese Leute müssen sich bewusst sein, dass sie uns mit solchen Nebenschauplätzen massiv schaden. Wir brauchen unsere Energie, um diese sportlich heikle Phase zu meistern, stattdessen müssen wir uns nun solchen Problemen widmen. Und nebenbei fallen auch noch hohe Kosten an, die uns mit dem kleinen Budget hart treffen werden.»

Welches Nachspiel haben die Verfehlungen?

Jonas Kobi, Badener Vorstandsmitglied und neuerdings auch Fanverantwortlicher, erlebte die Szenen im Gästeblock – der mit rund 450 Leuten etwa zur Hälfte gefüllt war – hautnah mit. Auch ihm ist es ein Rätsel, warum es überhaupt zu einem Böllerwurf in den neutralen Sektor kam: «Es gab die üblichen Derby-Sticheleien, aber sonst war die Stimmung im Gästeblock eigentlich lange Zeit richtig gut.»

Nach dem Schlusspfiff gingen die Provokationen auch noch hinter dem Stadion weiter. Einige Anhänger der Aarauer Fanszene wollten zu den Badenern, die sich hinter dem Gästeblock befanden, durchdringen. Doch die Polizei hielt die Fanlager mit Gummischrot und Pfefferspray voneinander entfernt. «Gemäss meiner Wahrnehmung beruhigte sich die Situation hinter dem Stadion schnell. Die Fanlager gerieten zu keinem Zeitpunkt aneinander», sagt Kobi.

Doch was muss passieren, damit solche Grenzüberschreitungen künftig vermieden werden können? Kobi meint dazu: «Wir können Stadionverbote aussprechen und wir können den Dialog suchen, um die Selbstregulierung innerhalb der Szene zu fördern. Beides haben wir bereits getan und werden wir auch weiterhin tun. Die gestrigen Vorkommnisse sind nicht akzeptabel, müssen gemeinsam aufgearbeitet und die Konsequenzen daraus gezogen werden, damit diese so nicht wieder vorkommen.»

Spannend dürfte die Frage sein, ob und welches Nachspiel die Verfehlungen haben werden. Für ähnliche Vergehen wurden in dieser Saison auch schon Sektorsperren ausgesprochen. Das Absurde an der Geschichte: Gerade an diesem Spieltag protestierten Schweizer Fanszenen in verschiedenen Stadien mit demselben Spruchband gegen das umstrittene Kaskadenmodell, das unter der Woche für die kommende Saison angekündigt wurde, obwohl es von Liga, Klubs und Fanszenen geschlossen abgelehnt wird. In dieser Hinsicht dürfte die Verfehlung einiger Badener Fans Wasser in die Mühlen der KKJPD (Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren) sein.