, Nik Dömer, AZ

Die Haare gebunden, der Knoten gelöst: Startet Stürmer Wiskemann jetzt durch?

Vor einer Woche zeigte Marin Wiskemann in Thun einen starken Teileinsatz, der nun zum Wendepunkt in seiner verkorksten Saison werden soll. Was das mit seiner Haarpracht zu tun hat und warum sich der Stürmer ein bisschen missverstanden fühlt.

Es läuft die 81. Minute in der Stockhorn Arena, als der kurz zuvor eingewechselte Marin Wiskemann in den Strafraum sprintet und abgezockt eine Vorlage von Omer Dzonlagic im Thuner Kasten versenkt. Als hätte er die gesamte Saison nichts anderes getan. Doch ganz so ist dem nicht. Tatsächlich ist der Treffer in Thun nämlich erst Wiskemanns zweiter Streich in einer für ihn bisher komplizierten Saison.

«Das nagte mit der Zeit an meinem Selbstvertrauen»

Manch ein Zuschauer hat sich in den vergangenen Wochen gefragt, was eigentlich mit diesem Stürmer los ist, den der FC Baden im Sommer mit grossen Erwartungen verpflichtet hat. Schliesslich wurde Wiskemann in der letzten Saison noch als bester Spieler der Promotion League ausgezeichnet und erzielte damals 21 Tore für den SC Cham. An diese Werte ist er nun eine Liga höher nicht mal mehr ansatzweise herangekommen.

Auf die Frage, warum er sich bisher in Baden schwer tat, meint Wiskemann: «Die Situation hat sich komplett verändert. In Cham waren wir ein eingespieltes Team und setzten auf Ballbesitzfussball. Zudem kannte jeder meine Laufwege.» Er führt aus: «Als ich nach Baden wechselte, mussten wir uns als Mannschaft erst einmal finden, es gab viele Neuzugänge. Und auch im taktischen Bereich gab es Anpassungen.»

Was der 26-jährige schweizerisch-brasilianische Fussballer damit genau meint: «Nach dem schwierigen Start setzten wir auf Umschaltspiel und richteten uns etwas defensiver aus. Mein Sturmpartner Davide Giampà kam damit schneller zurecht und lieferte Tore, somit erhielt er zurecht den Vorrang.»

Dass Wiskemann im Verlaufe des Herbsts nur noch Teileinsätze bekam, sei für ihn nicht leicht gewesen: «Leider blieb nach meiner Einwechslung oftmals nur noch wenig Zeit, um etwas auszurichten. Für einen Stürmer sind Tore und Assists sehr wichtig, die gelangen mir aber nicht. Das nagte mit der Zeit an meinem Selbstvertrauen.»

Wiskemann muss sich von Fans Standpauke anhören

Während der Winterpause kam es dann zu einem klärenden Austausch mit der sportlichen Leitung. «Dieses Gespräch hatte ich dringend nötig. Ich war davor in einem Loch, psychisch war die Hinrunde ziemlich strapazierend. Doch sie haben dann positiv auf mich eingeredet und mir gesagt, dass sie weiterhin an mich und meine Qualitäten glauben.»

Sportlich ging es zu Beginn der Rückrunde aber weiterhin eher überschaubar weiter. Die Geschichte gipfelte darin, dass die Mannschaft nach der bitteren Niederlage gegen Stade Nyonnais von zwei wütendenden Fans der Szene eine Standpauke erhielt. Wiskemann, der im Spiel den gesperrten Giampà in der Startelf ersetzte und dabei eine Topchance vergab, musste sich einiges anhören: «Ich kann das verstehen, dass sie frustriert waren und uns das auch mitteilen wollten. Über die Art und Weise lässt sich streiten, aber inzwischen gab es eine Aussprache und die Sache ist erledigt.»

Ein mannschaftsdienlicher Spieler

Offensichtlich hat der filigrane und laufstarke Stürmer den Vorfall gut verkraftet. Bei der Einwechslung in Thun beflügelte er in der Schlussviertelstunde das Offensivspiel. Beinahe wäre ihm sogar noch ein zweiter Treffer gelungen. Auffallend war dabei, dass Wiskemann seine Haarpracht erstmals zusammengebunden hat. Das ist insofern bemerkenswert, weil die langen gelockten Mähne schon fast ein Markenzeichen von ihm ist. «Mein Coiffeur ist derzeit in den Ferien und meine Haare sind inzwischen so lang, dass sie auf dem Platz stören würden. Deswegen hab ich sie zusammengebunden. Bereits im Training hatte ich damit ein gutes Gefühl und dieses hat sich dann auch im Match bestätigt.»

Wiskemann wird seine Haare deshalb weiterhin zusammenbinden und hofft, dass der psychologische Trick ihm dabei hilft, an seine gute Leistung anzuknüpfen: «Der Treffer hat meinem Selbstvertrauen wirklich gut getan. Aber ich möchte auch betonen, dass ich nicht nur von den Toren lebe.» Er führt aus: «Viele Leute haben das Gefühl, dass ich Treffer am Fliessband liefern müsste, weil mir das in Cham ja auch gelungen ist. Sie vergessen dabei, dass ich ein sehr mannschaftsdienlicher Spieler bin. Mit meinen tiefen Läufen kann ich Räume für andere Spieler aufreissen. Ich hab damit in dieser Saison bereits zwei Penaltys herausgeholt und auch schon dafür gesorgt, dass wir in Überzahl spielen konnten. Auch das sind meine Qualitäten.»