, Nik Dömer und François Schmid-Bechtel

Was passiert, wenn der FC Baden absteigt? Präsident Heinz Gassmann im Interview

Tabellenletzter, Formstand und viele auslaufende Verträge: Der FC Baden befindet sich in einer heiklen Situation. Trotzdem sagt Präsident Heinz Gassmann, dass er mit dem Trainer bis zum bitteren Ende gehen würde. Und er erklärt, warum sein Klub ein finanzielles Risiko einging.

Als am 30. Januar das Derby gegen Aarau vor der Rekordkulisse von 5100 Zuschauern im Badener Esp stieg, stand Heinz Gassmann in aller Herrgottsfrühe auf, um das Spiel in Thailand live zu verfolgen. Leider, so erzählt er, funktionierte der Livestream nicht. Badens Präsident musste sich mit dem Liveticker begnügen und später den Absturz seines Klubs ans Tabellenende konstatieren. Trotzdem bleibt der 72-Jährige zuversichtlich und sagt: «Wir werden die nötigen Punkte für den Klassenerhalt noch holen.»

Heinz Gassmann, Sie haben gerade sechs Wochen mit ihrer Frau in Thailand verbracht. Parallel ging beim FC Baden die Rückrunde los. Konnten Sie ihre Ferien überhaupt geniessen?

Der Abstand, die Zeitdifferenz und auch das schöne Wetter haben schon für viel Entspannung gesorgt. Aber es war keine hundertprozentige Auszeit. Ich war in den wichtigen Prozessen involviert, hatte stetigen Kontakt mit meinen Leuten und auch die Spiele habe ich mitverfolgt.

Sind Sie ernüchtert, wenn Sie auf die Tabelle schauen?

Ernüchtert nicht, weil wir von Beginn an wussten, dass wir gegen den Abstieg spielen werden. Aber ein bisschen Enttäuschung ist nach der letzten Niederlage gegen Schaffhausen schon da.

Wie würden Sie den bisherigen Verlauf der Rückrunde bewerten?

Unser Ziel ist es, dass wir einen Punkt pro Spiel im Schnitt holen. Deswegen können wir mit 20 Punkten nach 22 Partien nicht zufrieden sein. In den nächsten drei Partien müssen mindestens vier Punkte her.

Was passiert, wenn das Worst-Case-Szenario eintritt und der FC Baden am Ende der Saison absteigt?

Natürlich befassen wir uns mit dem Szenario. Wir haben einige Investitionen getätigt und sind leicht über Budget, weil wir den Ligaerhalt schaffen wollen. Dieses Risiko sind wir eingegangen, weil wir wissen, dass wir im Falle eines Abstiegs wohl nicht mehr so schnell zurückkehren werden. Aber wir haben nicht blauäugig gehandelt, der Verein ist weiterhin sehr gesund. Sollte es am Ende nicht reichen, werden wir die Ausgaben zurückfahren und das Budget in der Promotion League anpassen.

Im Winter wurden mit Marvin Spielmann, Lavdim Zumberi und Tobias Pachonik drei Verstärkungen verpflichtet. Hat man damit alle Möglichkeiten ausgereizt?

Wir haben investiert, was wir riskieren konnten. Gerne hätten wir die Spieler auch schon früher engagiert, aber es war im Sommer-Transferfenster aus unterschiedlichen Gründen nicht möglich. Nun sind wir sehr glücklich darüber, dass wir sie doch verpflichten konnten.

Wie sieht es mit der Mannschaft aus, normalerweise laufen die Spieler bei einem Abstieg davon. Steht der FC Baden vor einem Scherbenhaufen, wenn er absteigt?

Wir sind daran, den Plan B auszuarbeiten. Bei den meisten Spielern läuft der Vertrag Ende Saison aus. In den kommenden Tagen werden wir erste Vertragsgespräche aufnehmen. Dabei gehts natürlich auch darum, wer in der Promotion League für uns spielen würde. Fakt ist, dass dies sicherlich nicht alle tun werden. Das war uns aber auch schon von Beginn an klar.

Dieses Abenteuer in der Challenge League ist mit Risiken verbunden. Der Profifussball erfordert einige Anpassungen. Sind da nie Zweifel aufgekommen?

Wir haben es nie als Abenteuer gesehen, sondern als Chance, den FC Baden wieder langfristig in der Challenge League zu etablieren, so wie in den 80er- und 90er-Jahren. Wenn ich sehe, wie gross das Interesse in der Region am Profifussball ist, hat es sich auf jeden Fall gelohnt. Wir haben mit einem Zuschauerschnitt von 1400 gerechnet, nun sind es fast doppelt so viele. Deutlich mehr als zu früheren Zeiten der Nationalliga B. Das zeigt uns auch, dass es im Aargau viel Potenzial für einen Profiklub gibt und wir den richtigen Weg eingeschlagen haben.

Sie sagen, dass das Potenzial vorhanden ist, aber gleichzeitig mussten sie nun den finanziellen Rahmen leicht sprengen. Ist der Support in der Region noch zu klein?

Unser Problem ist, dass vor allem mir durch den Doppelaufstieg die Zeit fehlte für die Sponsoren-Akquise. Wir mussten viele Dinge gleichzeitig anpassen und optimieren. Deshalb konnten wir das Potenzial noch gar nicht voll ausschöpfen. Wir haben noch deutlich Luft nach oben.

Sie gehen also davon aus, dass der FC Baden mehr Unterstützung erhält, sollte er sich etablieren können.

Davon gehe ich aus. Wir müssen sicherlich auch an unserer Vermarktung arbeiten. Ich bin zuversichtlich, dass wir da noch zulegen und somit auch ein paar grössere Unternehmen für ein Sponsoring begeistern können. Wir sind inzwischen auch breiter auf der Geschäftsstelle aufgestellt.

Wie sieht es mit dem politischen Support der Stadt Baden aus?

Ich würde sagen, der Prozess mit der Lizenzierung für die Swiss Football League hat uns sehr eng zusammengeführt. Es brauchte viele Gespräche und Lobbyarbeit bei den Parteien, damit die Entscheidungsträger den Wert unserer Arbeit mit Blick auf die grosse Juniorenabteilung erkannte. Die Stadt Baden unterstützt uns grossartig, dafür sind wir sehr dankbar. Es hätte auch anders ausgehen können, was die Investitionen ins Stadion betreffen.

Wie sieht es mit der Stadionfinanzierung aus, sollte der FC Baden absteigen?

Durch den Stadionausbau gab es eine Ticketabgabe-Erhöhung von 10 auf 13 Prozent für die nächsten fünf Jahre. Bei einem Abstieg würden die drei Prozent wieder wegfallen. Zudem wurden Beträge für weitere Anpassungen in die Infrastruktur gesprochen. Bei einem Abstieg werden die Investitionen wohl nicht im gleichen Ausmass getätigt.

Sie betonten im November, dass der FC Baden punkto Professionalisierung noch ganz am Anfang steht. Wo steht er aktuell?

Wir haben Fortschritte gemacht. Seit Februar haben wir einen Trainer, der sich vollamtlich seiner Aufgabe widmen kann und zumindest bis Sommer nicht mehr an der Schule unterrichten muss. Auf der Geschäftsstelle arbeiten zudem drei Leute mit insgesamt 230 Stellenprozent. Das würden wir im ähnlichen Stil beibehalten, sollten wir absteigen. Mit 650 lizenzierten Spielerinnen und Spielern sowie 70-80 Trainern und Funktionären ist das Aufgabenvolumen neben dem Platz ist sehr gross.

Aktuell hat der FC Baden ein Gesamtbudget von etwas über 2,3 Millionen Franken. Was braucht der Verein, um sich langfristig im Profifussball etablieren zu können?

Ich denke, dass drei Millionen Franken bereits reichen würden. Da verfallen wir auch keiner Träumerei. Denn ohne grossen Investor werden wir nie unter den grossen Klubs in dieser Liga mitmischen. Aber das ist auch gar nicht unser Anspruch. Wir können auch mit guten Partnerschaften ein starkes Team zusammenstellen.

Apropos Partnerschaften. Die Beziehung zum FC Aarau ist nicht mehr so unproblematisch wie früher, was den Austausch von Spielern betrifft. Ausserdem landen die besten Talente immer beim Liga-Konkurrenten. Muss der FC Baden künftig den «Aargauer Weg» verlassen und eine eigene Nachwuchsbewegung einführen?

Das ist eine berechtigte Frage, doch diese stellt sich im Moment nicht. Wenn der FC Aarau demnächst aufsteigt, würde es vieles vereinfachen, was die Partnerschaft mit Spieleraustausch betrifft. In den letzten Jahren war die Zusammenarbeit ein Gewinn für beide Seiten.

Zurück zur Gegenwart: Der FC Schaffhausen schien Abstiegskandidat Nummer 1 zu sein. Nun hat er im Winter plötzlich neue Geldtöpfe gefunden und gehört zu den formstärksten Teams. Ärgern Sie sich darüber?

Das soll uns nicht ärgern. Natürlich hören wir viele Dinge über andere Vereine. Aber wir schauen nur auf uns und hoffen, dass am Ende ehrliche Arbeit auch belohnt wird.

Sie haben es angesprochen, auch über andere Teams und deren Finanzhaushalt gibt es kuriose Gerüchte. Herrschen faire Zustände in dieser Liga?

Es bringt uns nichts, wenn wir uns mit anderen Vereinen beschäftigen. Ich kann nur sagen, dass wir die Unterstützung der Swiss Football League spüren. Ich denke, wir haben ein gewisses Ansehen, weil man unsere seriöse Arbeit anerkennt und weil wir ein grosses Publikum anziehen.

Wir nähern uns langsam der heissen Phase in der Challenge League, noch ist der FC Baden nahe dran an der Konkurrenz. Sollte sich die Situation verschärfen, würde bei den meisten Vereinen irgendwann der Trainer in Frage gestellt. Oder gehen Sie mit Michael Winsauer bis zum bitteren Ende?

Definitiv, für uns ist das gar keine Frage. Mike passt mit seinem Charakter sehr gut zum FC Baden. Einen solchen Trainer findet man nicht oft. Und er holt mit seinem Staff das Maximum aus der Mannschaft heraus, davon sind wir überzeugt. Das ist übrigens nicht nur meine Einschätzung, sondern auch die vom meinem erfahrenen sportlichen Berater Stephan Keller, der mit dem Coach fast täglich im Austausch steht.

Jetzt mal ehrlich: Sollte der FC Baden am Ende der Saison absteigen, hat sich dann der Aufwand gelohnt?

Die Frage hat sich so für uns gar nie gestellt. Die Mannschaft und die Fans wollten vor einem Jahr den Aufstieg anstreben. Und wir wollten die Akteure auf dem Feld nicht bremsen, also gaben wir die Lizenz ein. Aber ich würde schon sagen, dass es sich auf jeden Fall gelohnt hat. Unsere Rückkehr in eine Profiliga ist auch Werbung für die Region. Jedes zweite Wochenende reisen im Schnitt über 2000 Leute nach Baden ins Esp. Und der FC Baden, wie auch die Stadt und Region, hat jedes Wochenende Fernsehpräsenz. Wir sind stolz, dass wir diesen Beitrag leisten können.

Am Samstag steht ein sehr wichtiges Heimspiel gegen Stade Nyonnais an. Der Gegner ist derzeit das formschwächste Team der Liga und beim FC Baden fehlt ausgerechnet Top-Torschütze Davide Giampà. Wie ist Ihre Gefühlslage?

Es ist ein sehr wichtiges Spiel, wir dürfen den Anschluss in der Tabelle nicht verpassen. Aber selbst wenn wir verlieren sollten, werden wir ruhig bleiben. Bisher waren wir nämlich fast allen Gegnern ebenbürtig. Ich habe Vertrauen in die Spieler und das Trainerteam und glaube daran, dass sie sich noch weiterentwickeln können und somit die nötigen Punkte holen werden.