, Nik Dömer, AZ

Emirhan, der Furchtlose – ein Youngster trumpft beim FC Baden auf

Emirhan Eraslan hat zwar erst drei Spiele in dieser Saison absolviert, wirkt aber auf dem Platz wie ein Routinier. Woher kommt das grosse Selbstvertrauen? Und warum wechselte er von Trabzonspor zum FC Baden? Das ist die Geschichte des 21-jährigen Innenverteidigers.

Viele Zuschauer im Stadion Esp reiben sich verblüfft die Augen, als sie Emirhan Eraslan kurz vor der Winterpause gegen den FC Thun erstmals auf dem Platz sehen. Noch gar keine Minute hatte der Verteidiger zuvor gespielt und dann liefert er plötzlich ein fast perfektes Spiel ab. Dass er am Ende mit Gelb-Rot vom Platz geschickt wird, gibt seinem Debüt zwar einen Kratzer, doch das Foul war notwendig, um einen Gegentreffer zu vermeiden. Als er vom Feld trabt, nimmt es ihm keiner übel.

Eine Frisur wie Zlatan

Eraslan fällt auf. In erster Linie mit seiner mutigen, fast schon furchtlosen Spielweise. Er dirigiert, grätscht und liefert präzise Pässe. Manchmal packt er auch eine Finte aus und lässt den Gegenspieler ins Leere laufen. Viel Selbstvertrauen, eine gewisse Reife und garantiert auch eine Prise Risiko lassen sein Spiel spektakulär wirken.

Und der 21-jährige Abwehrspieler fällt auch mit seiner Frisur auf. Er hat lange schwarze Haare, die er zusammenbindet. Die Frisur erinnert ein bisschen an Zlatan Ibrahimovic. Ein Zufall? «Als Verteidiger war mein Vorbild eher Sergio Ramos, aber es schmeichelt mir natürlich, wenn ich mit Ibra verglichen werde», sagt er schmunzelnd.

Doch zurück zur Challenge League. Inzwischen sind seit Eraslans verrücktem Debüt ein paar Wochen vergangen. Die Ausgangslage für den schweizerisch-türkischen Doppelbürger hat sich komplett verändert. Die Zeiten des Bankdrückens sind vorbei, erstmals in dieser Saison ist er Stammspieler. In den letzten beiden Partien hat Trainer Mike Winsauer auf ihn gesetzt.

Und er hätte wohl auch in Neuenburg gespielt. wäre da nicht die Sperre, die das Thun-Spiel zur Folge hatte, gewesen. Ein bisschen nervt er sich heute noch darüber, obwohl sein Debüt sonst tadellos war: «Risiko gehört zu meinem Spiel dazu, aber ich bin schon noch etwas enttäuscht, ich habe in einer wichtigen Phase das Team im Stich gelassen. Was das Timing der Grätschen anbelangt, muss ich noch Erfahrungswerte in dieser Liga sammeln. Es ist mein Anspruch, dass ich das künftig noch geschickter lösen kann.»

Verunsichert hat es den 21-Jährigen allerdings nicht. Auch bei seinen beiden Einsätzen in der Rückrunde gegen den FC Aarau und die AC Bellinzona räumte Eraslan kompromisslos und ohne Zurückhaltung ab. Und durch seine kommunikative Art auf dem Spielfeld wirkt es so, als ob er mit jeder gesammelten Spielminute noch mehr Sicherheit ausstrahlt.

Erst Galatasaray-Fan, dann Spieler bei Trabzonspor

Aber woher kommt eigentlich dieses Selbstvertrauen bei einem Spieler, der vor dieser Saison noch keinen Profifussball bei den Männern absolvierte? Eraslan meint dazu: «Ich glaube einfach an mein Potenzial und meine Arbeit. Ich trainiere sehr viel und passe auch Ernährung und Schlaf an, damit ich das Maximum aus mir heraushole. Ich mache alles dafür, dass ich zu 100 Prozent fit bin.»

Und nebenbei hat der Fussballer aus Rothrist auch eine ziemlich solide Ausbildung genossen. Ab der U15 absolvierte er sämtliche Juniorenstufen beim FC Basel. Nach der U21 versuchte er sein Glück in der Türkei. Bei Trabzonspor unterschrieb er im Jahr 2022 einen Vertrag und trainierte dort mit der U19 und der 1. Mannschaft. «Als ich in Basel merkte, dass ich da nicht mehr weiterkomme, suchte ich ein neues Abenteuer. Im Frühling 2022 erhielt ich erstmals ein Aufgebot für die U19 der türkischen Nationalmannschaft, später kam dann die Anfrage von Trabzonspor. Das reizte mich sehr, sie waren damals der amtierende Meister. Also nahm ich das Angebot an.»

Speziell an diesem Wechsel: Eraslan ist eigentlich geprägt von seinem Vater als Galatasaray-Fan aufgewachsen und hatte selbst mehrere Trikots des Istanbuler Vereins im Schrank. Dass er dann plötzlich beim Konkurrenten im Nordosten des Landes landete, war aber kein Problem. «Für mich war es in erster Linie einfach eine grosse Chance, um in der Süper Lig spielen zu können. Davon hatte ich als Kind geträumt. Und mein Vater war natürlich sehr stolz, dass ich diesen Wechsel gewagt habe, auch wenn es nicht sein Verein war.»

Eraslans Traum erfüllte sich jedoch nicht – zumindest vorerst. Denn glücklich wurde er in der Türkei nicht so richtig: «Ich merkte schnell, dass der Verein keinen konkreten Plan für mich hat. Ich konnte zwar mit der 1. Mannschaft trainieren, spielte aber die Saison bei der U19. Mehr lag nicht drin, es waren eher chaotische Zustände.»

Wertvolle Erfahrung hat er aus dieser Saison aber trotzdem mitgenommen: «In Trabzon hat der Verein eine unglaubliche Bedeutung für die Menschen. Wenn die Mannschaft am Wochenende verloren hat, war das in der ganzen Stadt zu spüren. Auch ich wurde oft angesprochen, obwohl ich gar nicht spielte. Das waren spezielle Momente, die mir geblieben sind.»

«Geduld und harte Arbeit machen sich immer bezahlt»

Im vergangenen Sommer hat er seine Zelte in Trabzon abgebrochen und wurde auf der Suche nach einer Herausforderung in Baden fündig. Beim Challenge-League-Aufsteiger will Eraslan, der Ende Januar 21 Jahre alt wurde, nun richtig durchstarten. Dass er während der Hinrunde meist auf der Bank sitzen musste, hat ihn dabei nur noch hungriger gemacht: «Geduld und harte Arbeit machen sich immer bezahlt. Ich musste in dieser Saison lange zusehen. Nun will ich zeigen, was in mir steckt und mich nebenbei stetig verbessern.»

Was dann im Sommer kommen soll, weiss Eraslan noch nicht. Sein Vertrag beim FC Baden läuft noch bis Ende Saison: «Soweit denke ich noch gar nicht, ich lebe einfach im Moment und möchte den Ligaerhalt schaffen. Ich weiss zwar nicht, ob dann die gemeinsame Reise mit dem Klub weitergeht, aber ich weiss, dass der FC Baden mit seinen familiären Werten gut zu mir passt und ich sehr gerne Teil dieser Mannschaft bin.»