, Nik Dömer, AZ

«Das war das Verrückteste, was ich je erlebt habe» – der FC Baden hat plötzlich einen kubanischen Nationalspieler im Kader

Während sich der FC Baden in der Länderspielpause auf das Spiel in Bellinzona vorbereitete, debütierte Fabian Gloor mit der kubanischen Nationalmannschaft in Russland. Nun geben der Verteidiger sowie Trainer Michael Winsauer Auskunft über die vergangenen Tage.

Irgendwie kann er es selbst noch nicht ganz fassen, seit Dienstag ist der Badener Verteidiger Fabian Gloor zurück von einem grossen Abenteuer. Er hat nämlich während der Länderspielpause sein Debüt für die kubanische Nationalmannschaft gegeben und gastierte dabei auch noch in Russland.

40'000 Zuschauer im Stadion

Zuerst ein Rückblick: Im September betonte der 21-jährige Gloor, der eine kubanische Mutter hat und in Kuba geboren wurde, gegenüber dieser Zeitung, dass ein Einsatz für die kubanische A-Nationalmannschaft in Frage komme und es bereits losen Kontakt gab. Danach ist es schnell gegangen. Gloor erhielt vom kubanischen Nati-Trainer Yunielys Castillo zwei Monate später ein Aufgebot für den Zusammenzug in Moskau.

Und am letzten Donnerstag war es dann soweit: Via Istanbul reiste Gloor nach Moskau zum Team und von dort aus ging es in Richtung Wolgograd. «Das war wahrscheinlich das Verrückteste, was ich in meiner Karriere bisher erlebt habe. Vor zwei Wochen erhielt ich ein Aufgebot und eine Woche später war ich plötzlich Nationalspieler und lief in einem Stadion mit über 40'000 Zuschauern auf. Für mich war es zuvor bereits ein Highlight, als wir im Stadion Esp vor 3000 Zuschauern gegen Sion gespielt haben.»

Von zahlreichen russischen Journalisten begleitet

Weniger positive Erinnerungen werden hingegen über den Spielverlauf bleiben. Zwar konnte Gloor als Rechtsverteidiger endlich mal wieder von Beginn weg spielen (zuletzt musste er beim FC Baden Yves Weilenmann in der Startelf den Vorrang geben), doch das Endresultat war mit 0:8 dann sehr bitter. Zudem hatte Gloor einen Zusammenprall mit dem eigenen Goalie, erhielt dabei einen Schlag auf den Oberschenkel und musste nach 80 Minuten ausgewechselt werden.

Doch alles sei halb so wild, betont Gloor: «Ich kann auch Positives aus dieser Partie mitnehmen. Ein Spiel vor einer solchen Kulisse stärkt das Selbstvertrauen. Ausserdem war Russlands Captain Aleksandr Golovin mein direkter Gegenspieler und ich hatte ihn in den Duellen gut im Griff.» Er fügt an: «Was den Schlag anbelangt, sollte ich bald wieder fit sein. Der Physio meinte, dass es für einen Einsatz gegen Bellinzona reichen könnte.»

Natürlich gilt es auch noch zu erwähnen, dass der russische Fussballverband aufgrund des Angriffskriegs gegen die Ukraine von allen internationalen Wettbewerben ausgeschlossen wurde und derzeit auch kaum Testspiel-Partner findet. Doch all das sei kein Thema gewesen, betont Gloor: «Ich war primär stolz, dass ich zum ersten Mal ein Aufgebot für die Nationalmannschaft erhielt. Als Fussballer stand die sportliche Perspektive für mich im Vordergrund, deshalb nahm ich das Angebot an.»

Gloor fügt an: «Ich war zwar etwas überfordert von den ganzen Eindrücken, aber ich hab zu keiner Zeit gemerkt, dass sich das Land im Krieg befindet. Es fühlte sich wie ein normales Testspiel an, auch als wir uns die Stadt anschauten, schien alles ganz normal zu sein. Einzig etwas speziell war, dass uns zahlreiche russische Journalisten begleiteten, das hat mich etwas überrascht.»

«Vereinzelte Rückschläge dürfen wir nicht überbewerten»

Zurück zum FC Baden. Am kommenden Sonntag gehts für Fabian Gloor und sein Team ab in den Süden. Es wartet das Auswärtsspiel gegen die AC Bellinzona. Aktuell stehen die Tessiner in der Tabelle hinter den Badenern mit zwei Punkten Rückstand. Das Spiel dürfte entsprechend auch vom mentalen Aspekt her eine besondere Bedeutung haben.

Mit einem Auswärtssieg könnte der Vorsprung auf einen potenziellen Abstiegskandidaten auf fünf Punkte vergrössert werden. Hingegen rutschen die Badener mit einer Niederlage auf den zweitletzten Rang ab. Von besonderem Druck will Trainer Michael Winsauer aber nichts wissen: «Natürlich kennen auch wir die Tabelle, aber für uns hat das keine Bedeutung, auf welchem Platz unser Gegner steht. Die Erwartungshaltung bleibt immer gleich, wir wollen gegen alle Punkte sammeln.»

Nach einer zuletzt harten 0:4-Heimniederlage gegen Neuchâtel Xamax ist sich Winsauer sicher, dass seine Mannschaft den Rückschlag während der Länderspielpause verarbeitet hat: «Uns war von Beginn dieser Saison an bewusst, dass wir Nehmerqualitäten brauchen. Es wird aufgrund unserer Umstände immer wieder notwendig sein, dass wir unser Intensitätsmaximum erreichen müssen, um mithalten zu können.» Der Coach führt aus: «Vereinzelte Rückschläge dürfen wir daher nicht überbewerten und wir werden auch nicht jedes Mal alles hinterfragen. Mund abwischen und weiterarbeiten ist unser Motto.»

Ausgeprägte Nehmerqualitäten werden die Badener besonders brauchen, wenn sie in Bellinzona Zählbares eintüten wollen, ist sich der Hauptübungsleiter sicher: «Gegen Bellinzona brauchen wir das optimale Mindset. Wir sind auf eiskaltes Wetter, harte Duelle, Provokationen eingestellt und wollen die Energie richtig bündeln, damit wir an unsere Leistungsgrenze gehen können», betont Winsauer.