, Patrice Kaufmann, Tagesanzeiger

Er verkauft Immobilien und macht nebenbei mehr Tore als die Profis

Davide Giampà (30) arbeitet mit einem 100-Prozent-Pensum als Makler und hat grossen Anteil daran, dass der FC Baden nach Startschwierigkeiten in der Challenge League angekommen ist.

Als Junior galt Davide Giampà als grosses Talent. 2012 debütierte er mit 19 Jahren für den FC Aarau in der Challenge League. Der Durchbruch als Profi blieb dem Aargauer jedoch verwehrt. Nun, elf Jahre nach der Premiere, läuft er als Amateurspieler für den FC Baden erneut in der zweithöchsten Spielklasse auf.

In 14 Spielen erzielte Giampà bisher sieben Tore. Kein anderer Spieler in der Challenge League brachte den Ball in dieser Spielzeit öfter im gegnerischen Tor unter (Dejan Djokic vom FC Vaduz und Sofian Bahloul vom FC Wil trafen ebenfalls siebenmal). Sein letzter Treffer, das 2:1-Siegtor beim FC Vaduz, ging in den sozialen Medien gar viral. Nicht aber die Schönheit des Treffers zog die Aufmerksamkeit auf sich, sondern der misslungene Torjubel: Giampà sprang auf die Werbebande und rutschte aus. «Ich war einfach etwas zu euphorisch und habe die Höhe der Bande unterschätzt», erklärt er sein Malheur.
 
Wenn er nicht Fussball spielt, verkauft er Immobilien

Dass Giampà mit 30 Jahren die Torschützenliste in der Challenge League mit anführt, ist eine Überraschung. Der Goalgetter des FC Baden ist kein Profi, sondern arbeitet Vollzeit in der Immobilienbranche. Nachdem er in seiner Jugend überwiegend als Angreifer zum Einsatz gekommen war, wurde er zum Defensivspieler umfunktioniert und stieg als Verteidiger zum Profi auf.

Nach mehreren einschneidenden Verletzungen und rund fünf Jahren als Profi bei Aarau und dem FC Wohlen wechselte Giampà 2017 zum SC Cham und somit in den Amateurfussball. «Ab da bin ich auf dem Feld wieder weiter nach vorne gerückt. Zuerst spielte ich als Sechser, dann als Achter und schliesslich als hängende Spitze», so Giampà.

Seit seinem Wechsel 2019 zurück zum FC Wohlen – der in Giampàs Abwesenheit aus der Challenge League bis in die 1. Liga Classic abstieg – wird der im Aargau aufgewachsene Italiener fast ausschliesslich als Stürmer eingesetzt. Der Wechsel in die Offensive hat Giampàs Karriere einen Schub verliehen. Für den FC Wohlen gelangen ihm zwölf Tore in 14 Spielen. Und auch bei seinen nächsten Stationen, YF Juventus und nochmals Wohlen, wusste er mit Toren zu überzeugen.

Zwei Aufstiege in zwei Jahren und ein Kader voller Amateure

Seit der vergangenen Saison stürmt Giampà für den FC Baden. In seiner ersten Saison erzielte er 17 Tore und hatte massgeblichen Anteil an Badens zweitem Aufstieg innert zweier Jahre. Trotzdem gibt es für ihn keinen Anlass, noch einmal voll auf den Sport zu setzen. «Ich habe mir ausserhalb vom Fussball einiges aufbauen können. Die Vertragsbedingungen müssten mir sehr zusagen, damit ich den Schritt zum Profi nochmals mache», so Giampà.


«Er hat eine starke Physis und ist unheimlich schwer vom Ball zu trennen. Zudem macht ihn sein super Schuss aus allen Lagen unberechenbar.»
Michael Winsauer, Cheftrainer FC Baden


Badens Aufstieg in die Challenge League kam gewissermassen überraschend. Erstmals seit der Spielzeit 2005/06 spielt Baden wieder in einer Profiliga, doch das Kader des Aufsteigers besteht noch immer mehrheitlich aus Amateuren. Nur sieben Spieler konzentrieren sich ausschliesslich auf den Fussball. Coach Michael Winsauer ist gar der einzige Cheftrainer in der Challenge League, der diese Position als Nebenberuf ausübt. Hauptberuflich unterrichtet er mit einem 80-Prozent-Pensum an einer Primarschule. «Ich habe eine Familie mit zwei Kindern. Beim FC Baden ist es Stand heute nicht möglich, Profitrainer zu sein. Doch für den Lebensunterhalt meiner Familie muss trotzdem gesorgt werden», sagt der Tiroler.

Winsauer kennt Giampà noch aus ihrer gemeinsamen Zeit beim FC Wohlen. Er selbst verteidigte ab 2010 vier Spielzeiten in der Challenge League und war in der Saison 2013/14 Teamkollege von Giampà. «Seine Entwicklung freut mich», sagt Winsauer über seinen ehemaligen Mitspieler. «Er hat eine starke Physis und ist unheimlich schwer vom Ball zu trennen. Zudem macht ihn sein super Schuss aus allen Lagen unberechenbar.»

Geschlossene Mannschaftsleistungen und Teamchemie als Erfolgsrezept

Mit seiner Abschlussqualität half Giampà dem FC Baden, sich nach einem Saisonstart mit nur einem Punkt aus den ersten fünf Partien von den Abstiegsplätzen zu lösen. Von den vergangenen neun Partien verlor der Aufsteiger nur noch zwei. In der Tabelle liegt er zwar noch immer auf Rang 8, der Rückstand auf das drittplatzierte Xamax beträgt jedoch nur zwei Punkte.

Die finanziellen Möglichkeiten beim FC Baden lassen im Vergleich zur Konkurrenz klar weniger zu. Die fehlende individuelle Klasse kann der Club derzeit durch geschlossene Mannschaftsleistungen und gute Teamchemie kompensieren. «Das zeichnet uns aus», findet Giampà. In anderen Proficlubs hat er erlebt, dass im Training jeder nur für sich schaut, an seinen eigenen Erfolg denkt und ihn einem anderen nicht gönnt. «Das ist bei uns nicht so. Wir sind sehr familiär und machen nach dem Training auch etwas zusammen.»

Die Zeit, in der der FC Baden von seinen Gegnern in der Challenge League unterschätzt wurde, ist vorbei. Doch trotz des jüngsten Aufschwungs redet Giampà nur von einem Ziel: dem Klassenerhalt. Am liebsten würde er Baden mit seinen Toren dazu verhelfen.