, Nik Dömer, AZ

«Den Abstieg habe ich noch nicht verdaut» – Heinz Gassmann blickt auf seine Präsidentschaft beim FC Baden zurück

Nach insgesamt 13 Jahren als Präsident beim FC Baden tritt Heinz Gassmann nun definitiv zurück. Was hat ihn während dieser Zeit angetrieben? Auf welche Erfolge ist er besonders stolz? Und warum konnte sich der Klub nicht in der Challenge League etablieren? Das grosse Abschiedsinterview.

Heinz Gassmann, in den sozialen Medien gab es von Ihnen Ferien-Fotos aus Italien zu sehen. Sind Sie nun bereits zurückgetreten?

Ich gönne mir ein paar Tage Erholung nach der strengen Saison. Aber ich bin noch nicht ganz fertig. Die nächste Generalversammlung muss noch vorbereitet werden und ich zügle mein Büro, das ich bisher bei mir zuhause in Freienwil führte, ins Stadion Esp. Nebenbei möchte ich noch ein paar Sponsorenverträge zum Abschluss bringen. Danach ziehe ich mich zurück.

Und es folgt noch ein grosser Saisonabschluss-Event, den Sie gemeinsam mit der ABB im Stadion Esp durchführen?

Diese Idee ist aus den gemeinsamen Gesprächen an der Badenfahrt entstanden. Wir feiern zusammen. Es gibt ein grosses Fest und ein Fussballturnier mit ABB-Mitarbeitenden und Vereinsmitgliedern. Am Abend folgt auch noch ein öffentlicher Teil, ein Publicviewing fürs Spiel Schweiz gegen Deutschland auf drei Grossleinwänden

Die ABB wäre doch mit Ihren Badener Wurzeln ein perfekter Partner. Schliesslich waren ABB-Mitarbeiter einst Gründungsmitglieder des
FC Baden. Was ist aus dieser Sponsoring-Idee geworden?

Das haben wir abgeklärt. Die ABB macht leider kein Fussballsponsoring und betreibt auch kein Standortmarketing in Baden, unterstützt uns jetzt aber mit diesem Grossevent.

In wenigen Tagen treten Sie also zurück, nach zuletzt sechs Saisons Präsidentschaft am Stück. Haben Sie schon realisiert, dass Ihre Ära vorbei ist?

Ich denke schon. Mein persönlicher Entschluss steht ja bereits seit anfangs letzter Saison fest und wurde im Winter intern kommuniziert. Ich habe einfach gemerkt, dass die Zeit für mich reif ist. Allerdings werde ich wohl noch eine Weile brauchen, um die vergangenen Monate zu verarbeiten.

Wie meinen Sie das?

Den Abstieg habe ich noch nicht verdaut. Da gehen mir immer noch viele Gedanken durch den Kopf. Was hätte ich besser machen können? Das beschäftigt mich noch.

Was hätten Sie dann besser machen können?

Ich war zu weit weg von der Mannschaft, weil es durch den überraschenden Aufstieg so viele andere Themen gab, die ich bearbeiten musste. Ich hatte kaum Zeit, um regelmässig bei der Spielanalyse und Teambesprechungen dabei zu sein. Vielleicht fehlte mir dadurch dann auch dieses Gespür, um bei den Transfers die richtigen Entscheide zu treffen. Im Nachhinein würde ich zum Beispiel nicht mehr so viele Spieler verpflichten, die keine Spielpraxis haben.

Sie wurden sehr herzlich verabschiedet, die Fans haben Ihnen eine Choreo gewidmet. Was für Gefühle hatten Sie dabei?

Es war ein sehr schöner Abschluss gegen Xamax und die Zuschauer kamen noch einmal zahlreich. Ich habe mich auch riesig gefreut über den Punktgewinn. Das hat nach diesem zermürbenden Jahr allen gut getan, dass der sportliche Abschluss mit zwei Remis in Folge versöhnlich war.

Mit Unterbruch haben Sie 13 Jahre als Präsident hinter sich. Gassmann und der FC Baden, warum hat das so gut zusammengepasst?

Da gibt es viele Faktoren. Baden ist einfach meine Heimat, ich fühle mich der Region sehr verbunden und konnte mich dadurch auch stets mit diesem sehr familiären Verein identifizieren. Und dann kommt auch noch dazu, dass es mir einfach Spass machte, mit dem Klub vorwärts zu kommen. Ich führte ihn wie ein Unternehmen, war auf allen Ebenen sehr aktiv und bekam viel Wertschätzung zurück. Auch das Vertrauen der Sponsoren hat mich immer angetrieben.

Auf was sind Sie besonders stolz?

Der Aufstieg in die Promotion League im Sommer 2021. Das war der erste Aufstieg seit dem Abstieg 2006 aus der Challenge League. In den Jahren dazwischen scheiterte der Klub siebenmal in den Aufstiegsspielen, eine enorme Durststrecke. Dass wir diese beenden konnten, macht mich heute noch glücklich.

Und was ist mit der Challenge League?

Klar, auch aus der letzten Saison gibt es ein paar Dinge, die mich sehr stolz machen. Dass wir gleich in der ersten Profisaison so viele Zuschauer anziehen konnten, hat unsere Erwartungen übertroffen. Sinnbildlich dafür der Stadionrekord beim ersten Derby gegen den FC Aarau mit 5100 Leuten, damit haben wir Badener Fussballgeschichte geschrieben.

Es gab aber auch Kritik. Beispielsweise, dass nach der Rücktrittsverkündung von Trainer Mike Winsauer weiterhin auf ihn gesetzt wurde. War das richtig?

Es war auch eine moralische Frage und wir glaubten weiterhin an ihn. Mike hat das Team in die Challenge League geführt und musste dann aufgrund der fehlender Profistruktur grosse Hürden meistern. Nicht zuletzt, weil wir ihn während der Hinrunde nicht vollamtlich anstellen konnten. Ihn dann einfach im Frühling vor die Tür zu stellen, wäre überhaupt nicht Baden-like gewesen. Ich bin bis heute überzeugt, dass er einen guten Job gemacht hat und wir nicht deswegen gescheitert sind.

An was ist der FC Baden gescheitert?

Qualität und Mentalität. Letztere war in der Hinrunde noch vorhanden, ging uns dann aber in der Rückrunde teilweise verloren nach der Niederlagenserie im Februar.

Das Geld ist ein knackiges Thema. Etwa 1,5 Millionen Franken hatte die erste Mannschaft zur Verfügung. Winsauer betonte kürzlich, dass es vermutlich zwei Millionen gebraucht hätte, um genügend Qualität für den Klassenerhalt zu besorgen. Gehen Sie da mit?

Absolut. Wobei die Rahmenbedingungen mit unseren Strukturen nicht lukrativ waren. Etwa, dass wir grösstenteils nur Abendtrainings anbieten konnten. Das hat ein paar gute Spieler auch abgeschreckt, die wir gerne bei uns gehabt hätten.

Der FC Baden hat in dieser Saison gezeigt, dass er durchaus das Potenzial hat, um sich in der Challenge League zu etablieren. Es scheiterte letztendlich an Details. Was muss sich noch verändern, damit in Baden langfristig auf Profiniveau gekickt werden kann?

Wie bereits angesprochen brauchts einfach mehr finanzielle Mittel. Ich denke, wir sprechen da für den Gesamtverein etwa von drei Millionen Franken. Dann kann man sich etablieren, so wie das beispielsweise beim FC Wil funktioniert. Uns hat das Geld in vielen wichtigen Bereichen gefehlt.

Welche Bereiche meinen Sie konkret?

Eigentlich überall. Wir hatten keinen vollamtlichen Sportchef, nur eine halbe Saison lang einen vollamtlichen Trainer und viele Leistungsträger der Mannschaft arbeiteten nebst dem Profifussball. So konnten wir uns nie gänzlich professionalisieren. Und dann gab es auch noch viele kleinere Geschichten. Beispielsweise, dass wir auch keine Spieler aus dem Ausland verpflichten konnten. Für solche Transfers hätten wir nämlich Unterkünfte gebraucht, um lukrative Angebote machen zu können.

Nun schrumpft das Budget für die 1. Mannschaft unter eine Million Franken. Das sollte für die Promotion League zwar genug sein, aber reicht das auch für einen Wiederaufstieg?

Ein Budget unter einer Million ist in der Promotion League normal. Es wird reichen, um eine ambitionierte Rolle zu spielen. Kommt aber auch darauf an, wie die Mannschaft zusammengestellt wird. Da liegt der Ball nun bei der neuen sportlichen Führung.

Apropos neue sportliche Führung: Mit Rajmond Laski und Cedric Franek haben zwei langjährige Stützen ein Vertragsangebot abgelehnt. Wie stehen Sie dazu?

Das ist Sache der neuen Leitung, ich hab mich von der Kaderplanung bewusst zurückgezogen. Ich bedauere aber sehr, dass es zu keiner Einigung kam. Beide waren während einigen Saisons Leistungsträger des FC Baden. Es gibt viele Zuschauer, die sich mit ihnen identifizieren konnten.

Themenwechsel. Sie selbst betonten einst, dass noch mehr Sponsoren in der Region mobilisiert werden könnten. Grosse Firmen wie Zweifel oder Miele aus dem Limmattal gelten da als interessante Kandidaten für den FC Baden. Packen Sie da selbst noch mitan?

Im Limmattal hat es noch viel Potenzial. Wenn sich der Verein in der Challenge League etablieren möchte, ist es ein Muss solche Firmen von dieser Grösse ins Boot zu holen. Aber dieses Thema überlasse ich der neuen Führung. Wir sprechen hier nicht von einer Sache, die man rasch angehen kann. Um diese Firmen zu erreichen, muss man über lange Zeit hartnäckig dranbleiben. Und es braucht bei den Unternehmen auch eine Begeisterung für den Fussball.

Sprechen wir noch kurz über Politik. Die Zusammenarbeit war zuletzt sehr erfreulich, Stadtrat und Einwohnerrat haben den FC Baden beim Ausbau des Stadions stark unterstützt. Wie beurteilen Sie das Verhältnis?

Wir hatten schon immer eine gute Zusammenarbeit mit der Lokalpolitik, aber diese Saison hat uns aufgrund der Abstimmung für die Stadion-Investitionen sicher mit dem Einwohnerrat noch mehr zusammengeschweisst. Ich würde sagen, wir haben uns gegenseitig besser kennengelernt.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Ich denke, die Politik hat erkannt, dass wir mit unserer Nachwuchsabteilung wichtige Jugendarbeit verrichten und nebenbei mit unserem Fussball auch viele Zuschauer begeistern können. Zudem war die Challenge-League-Saison auch gute Werbung für die Stadt Baden und die Region. Natürlich hoffe ich, dass das in Zukunft nicht in Vergessenheit gerät und der FC Baden weiterhin auf die volle Unterstützung zählen kann.

In welcher Form werden Sie den Verein in den kommenden Jahren begleiten?

Ich bleibe selbstverständlich Mitglied und spiele bei den Senioren weiterhin Fussball. Womöglich sieht man mich künftig auch mal am Grillstand, wenn es ein Spiel oder einen Anlass gibt. Weiter bin noch in der Supporterabteilung aktiv, da sitze ich im Vorstand. Vielleicht kann ich ja künftig auch noch ein paar neue Mitglieder überzeugen. Ich bleibe dem FC Baden auf jeden Fall als Botschafter erhalten.